Skulptur

Über Skulptur zu schreiben, ist nicht leicht. Wäre es dies, könnte man das in ihr Ausgesprochene gut in Worte kleiden, würde man ein Poet, ein Schriftsteller, nicht ein Bildhauer.
Unter den vielen Richtungen der Kunst wird die Skulptur von wenigen wahrgenommen. Was zeichnet diese Kunstform aus? Ist es die Nähe zum Körper, was sie zum Besonderen macht, die Nähe zum Material, welches, wie man immer wieder hört, seinen Widerstand leistet? Ist es der Kampf mit dem Dinghaften, der sie hervorhebt und ihr oft diesen Ausdruck des Massehaften, Irdenen, Schweren, Sperrigen, Kargen gibt?
Die Skulptur ist entweder oder sie ist nicht. Ist Metapher oder bleibt im Ding verharrend.
Sie nimmt Raum ein und erzeugt darüber hinaus ihren eigenen, ihrer Wesenheit entsprechenden Raum.
Hier unterscheidet sie sich fundamental von Zeichnung und Malerei. Abgesehen von Bildern, die in sich auf ihre Materialität, Fläche und Farbe verweisen, schaffen Malerei und Grafik Inhalte, die sich in illusionistisch - konstruierender Weise entfalten.

Skulptur als körperliche Präsenz im Gegensatz zu bildlicher Konstruktion also? Ist Skulptur nur Masse, die man hinstellt? Manchmal, dann oft in eindringlicher Art. Darüber hinaus ist Skulptur das Darstellen, nicht das Hinstellen von Masse.
Auch Skulptur hat eine Sprache. Diese Sprache ist schwerer zu deuten als die vieler anderer Kunstarten. Formen und strukturierte Oberflächen erzeugen mit der Hilfe des Lichts im Auge des Betrachters ein Schattenspiel, das Form, Volumen, Gewicht oder Leichtigkeit vermittelt. Ohne Schatten hört Skulptur auf zu sein.
Und dies ist es wohl, was sie uns oft als so schwierig, so spröde erscheinen lässt. Sie erfordert Mitarbeit, manchmal viel davon, verlangt nach Erfahrung im Sehen, will entschlüsselt werden.
Anders als die Farbigkeit der Malerei, die zum Verweilen und Vertiefen einlädt, fordert die Skulptur oft , dass der Betrachter selber ihr in seinem Inneren Farbe gibt. Wir können durch die Wahrnehmung von Skulptur unsere eigene Melodie erklingen lassen, eigene Erlebnisse gewinnen, uns in unserer Selbständigkeit finden.
Während viele mediale Bilder nur einen engen Interpretationskreis zulassen, kann uns Skulptur zur Eigenständigkeit führen; dies kann sie umso mehr, als sie mehrdeutig und karg ist.

Daher ist die Skulptur wichtig. In einer Zeit, in welcher Bilder immer leichter produzierbar und verfügbar sind, uns immer eingänglicher und zugleich einschränkender geliefert werden, kann die Skulptur uns die Fähigkeit erhalten, wahrzunehmen. Sie kann uns helfen, unsere sinnliche Wahrnehmung zu leben im Einklang mit unserem Selbst. Das ist viel.

Michael Ball,
Februar 2007

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